O Haupt voll Blut und Wunden,
Voll Schmerz und voller Hohn,
O Haupt, zum Spott gebunden
Mit einer Dornenkron’,
O Haupt, sonst schön gezieret
Mit höchster Ehr’ und Zier,
Jetzt aber hoch schimpfieret:
Gegrüßet sei’st du mir!
Dies Lied von Paul Gerhardt ist bei Katholiken wie bei Protestanten das bekannteste Passionslied (und deshalb zu recht in die Kernlieder aufgenommen worden). Es geht auf den mittelalterlichen Hymnus Salve caput cruentatum von Arnulf von Löwen zurück, der lange Bernhard von Clairvaux zugeschrieben wurde.
Doch hat es bei allen Gemeinsamkeiten eine unterschiedliche Sicht auf das Passionsgeschehen (vgl. Geistliches Wunderhorn, S.277ff.)
Du edles Angesichte,
Davor sonst schrickt und scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist du so bespeit!
Wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht’t?
Die Farbe deiner Wangen,
Der roten Lippen Pracht
Ist hin und ganz vergangen;
Des blassen Todes Macht
Hat alles hingenommen,
Hat alles hingerafft,
Und daher bist du kommen
Von deines Leibes Kraft.
Nun, was du, Herr, erduldet,
Ist alles meine Last;
Ich hab’ es selbst verschuldet,
Was du getragen hast.
Schau her, hier steh’ ich Armer,
Der Zorn verdienet hat;
Gib mir, o mein Erbarmer,
Den Anblick deiner Gnad’!
Mit Schau her! wechselt Paul Gerhardt von der anbetenden Betrachtung des mittelalterlichen Beters zur Ansprache an den Gekreuzigten und der Bitte um Vergebung (sola fide).
Erkenne mich, mein Hüter,
Mein Hirte, nimm mich an!
Von dir, Quell aller Güter,
Ist mir viel Gut’s getan.
Dein Mund hat mich gelabet
Mit Milch und süßer Kost;
Dein Geist hat mich begabet
Mit mancher Himmelslust.
Milch und süße Kost beziehen sich bei Gerhardt nicht auf das Gelobte Land als Vorschmack des Paradieses, sondern auf das Wort Christi, das Vergebung verheißt.
Ich will hier bei dir stehen,
Verachte mich doch nicht!
Von dir will ich nicht gehen,
Wenn dir dein Herze bricht;
Wenn dein Haupt wird erblassen
Im letzten Todesstoß,
Alsdann will ich dich fassen
In meinen Arm und Schoß.
Das Ich tritt hier - im Unterschied zu Petrus, der seinen Herrn verleugnete - an den Sterbenden heran und will ihn wie die Pietà (Maria unter dem Kreuz) in seinen Schoß nehmen.
Es dient zu meinen Freuden
Und kommt mir herzlich wohl,
Wenn ich in deinem Leiden,
Mein Heil, mich finden soll.
Ach, möcht’ ich, o mein Leben,
An deinem Kreuze hier
Mein Leben von mir geben,
Wie wohl geschähe mir!
Hier wendet sich Gerhardt schon unter dem Kreuz der Osterfreude zu, dem Dank für die Erlösung von Sünde und Tod, die Christi Vorausgehen durch Tod und Auferstehung ermöglicht hat.
Ich danke dir von Herzen,
O Jesu, liebster Freund,
Für deines Todes Schmerzen,
Da du’s so gut gemeint.
Ach gib, daß ich mich halte
Zu dir und deiner Treu’
Und, wenn ich nun erkalte,
In dir mein Ende sei!
Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein!
Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und lass mich sehn dein Bilde
In deiner Kreuzesnot!
Da will ich nach dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.
Gerhardts Sprecher sieht sich durch seinen Glauben mit Christus verbunden. Wieder tritt das sola fide an die Stelle der mit Christus vereinenden Liebe des amator amplectente (Liebender, der umarmt werden muss) des mittelalterlichen Hymnus.
Melodie
(Trotz aller Netzverweise stammen alle wesentlichen Interpretationshinweise, wie erwähnt aus Geistliches Wunderhorn, S.277ff.)
vgl. auch: Wikipedia, Kirchensite Bistum Münster (mit Hinweisen zu Vertonungen u.a.)
Donnerstag, 21. April 2011
O Haupt voll Blut und Wunden (EG 85)
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Dienstag, 1. Februar 2011
Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369)
Wer nur den lieben Gott läßt walten
Und hoffet auf ihn allezeit,
Den wird er wunderbar erhalten
In aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
Der hat auf keinen Sand gebaut.
Und hoffet auf ihn allezeit,
Den wird er wunderbar erhalten
In aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
Der hat auf keinen Sand gebaut.
Umfragen zufolge ist es das beliebteste Kirchenlied, ein Trostlied, wie es sein Verfasser Georg Neumark selbst genannt hat. Nach seiner Aussage hat er, dem Lied, das er 1641 geschrieben und auch komponiert hat, Vers 23 aus Psalmvers 55 zugrundegelegt: "Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich wohl versorgen".
Er wollte nach Königsberg, um dort Jura zu studieren und den Poetiklehrer Simon Dach zu hören. Sicherheitshalber schloss er sich einer Reisegesellschaft an. Doch sie wurden von Räubern überfallen und völlig ausgeplündert. Über Magdeburg, Lüneburg und Hamburg kam er schließlich nach Kiel, wo er endlich ein Auskommen als Hauslehrer fand. Dort dichtete er dies Lied.
Was helfen uns die schweren Sorgen?
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es, daß wir alle Morgen
Beseufzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreuz und Leid
Nur größer durch die Traurigkeit.
Neumark selbst berichtete über seine damalige Stimmung: "So wurde ich so melancholisch, daß oftmals ich des Nachts in meiner Kammer den lieben Gott mit heißen Tränen knieend um Hilfe anflehete" und fährt dann fort: "welches der liebe und barmherzige Gott, des Güte alle Morgen neu und mich über mein Vermögen nicht versuchte, endlich ganz unvermeint angesehen."
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es, daß wir alle Morgen
Beseufzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreuz und Leid
Nur größer durch die Traurigkeit.
Neumark selbst berichtete über seine damalige Stimmung: "So wurde ich so melancholisch, daß oftmals ich des Nachts in meiner Kammer den lieben Gott mit heißen Tränen knieend um Hilfe anflehete" und fährt dann fort: "welches der liebe und barmherzige Gott, des Güte alle Morgen neu und mich über mein Vermögen nicht versuchte, endlich ganz unvermeint angesehen."
Man halte nur ein wenig stille
Und sei doch in sich selbst vergnügt,
Wie unsers Gottes Gnadenwille,
Wie sein' Allwissenheit es fügt.
Gott, der uns sich hat auserwählt,
Der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
Und sei doch in sich selbst vergnügt,
Wie unsers Gottes Gnadenwille,
Wie sein' Allwissenheit es fügt.
Gott, der uns sich hat auserwählt,
Der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
Er kennt die rechten Freudenstunden,
Er weiß wohl, wann es nützlich sei.
Wenn er uns nur hat treu erfunden
Und merket keine Heuchelei,
So kommt Gott, eh wir's uns versehn,
Und lässet uns viel Gut's geschehn.
Er weiß wohl, wann es nützlich sei.
Wenn er uns nur hat treu erfunden
Und merket keine Heuchelei,
So kommt Gott, eh wir's uns versehn,
Und lässet uns viel Gut's geschehn.
Er hätte wegen seiner gescheiterten Pläne viel Anlass zur Klage gehabt, doch konzentriert er sich auf das, was er nach dem Überfall an Hilfe erfahren hat. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wo fast kein einziger Platz von Kriegshandlungen und marodierenden Soldaten verschont blieb und über ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands umkam, hat er einen Überfall überstanden und - endlich - einen Ort gefunden, wo er bleiben kann.
Denk nicht in deiner Drangsalshitze,
Daß du von Gott verlassen seist,
Und daß der Gott im Schoße sitze,
Der sich mit stetem Glücke speist.
Die Folgezeit verändert viel
Und setzet jeglichem sein Ziel.
Daß du von Gott verlassen seist,
Und daß der Gott im Schoße sitze,
Der sich mit stetem Glücke speist.
Die Folgezeit verändert viel
Und setzet jeglichem sein Ziel.
Es sind ja Gott sehr leichte Sachen
Und ist dem Höchsten alles gleich,
Den Reichen klein und arm zu machen,
Den Armen aber groß und reich.
Gott ist der rechte Wundermann,
Der bald erhöhn, bald stürzen kann.
Neumark hat das Lied mit 20 Jahren geschrieben. 40 Jahre darauf, in seinem Todesjahr, diktierte er erblindet seinen Kindern den Bericht über die Umstände, aus denen das Lied hervorging.
Und ist dem Höchsten alles gleich,
Den Reichen klein und arm zu machen,
Den Armen aber groß und reich.
Gott ist der rechte Wundermann,
Der bald erhöhn, bald stürzen kann.
Neumark hat das Lied mit 20 Jahren geschrieben. 40 Jahre darauf, in seinem Todesjahr, diktierte er erblindet seinen Kindern den Bericht über die Umstände, aus denen das Lied hervorging.
Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,
Verricht das Deine nur getreu
Und trau des Himmels reichem Segen,
So wird er bei dir werden neu;
Denn welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt, den verläßt er nicht.
Verricht das Deine nur getreu
Und trau des Himmels reichem Segen,
So wird er bei dir werden neu;
Denn welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt, den verläßt er nicht.
Der Originaltext Neumarks - Kirchenlieder werden wie Bibelübersetzungen immer wieder dem neuen Sprachgebrauch angenähert - findet sich in der Wikipedia. Dort finden sich auch viele nützliche Links.
Hier kann man einen mehrstimmigen Satz hören, in dem aber die Melodie im Vordergund bleibt, so dass man gut mitsingen kann.
Bachs Kantate Nr.93 gestaltet die Aussage noch vielfältiger aus: Chor und Rezitative, Choral.
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Mittwoch, 26. Januar 2011
Der du die Zeit in Händen hast (EG 64)
Der du die Zeit in Händen hast,
Herr, nimm auch dieses Jahres Last
und wandle sie in Segen.
Nun von dir selbst in Jesus Christ
die Mitte fest gewiesen ist,
führ uns dem Ziel entgegen.
Herr, nimm auch dieses Jahres Last
und wandle sie in Segen.
Nun von dir selbst in Jesus Christ
die Mitte fest gewiesen ist,
führ uns dem Ziel entgegen.
Dies Lied von Jochen Klepper aus „Kyrie. Geistliche Lieder“, 1938, habe ich als Jugendlicher gern gesungen. Grass hat einmal – dem Sinne nach – geschrieben: „Nie wieder liest man Bücher so intensiv wie mit 25 Jahren.“ Von diesem Lied darf ich für mich Ähnliches behaupten. Ich habe als Erwachsener „Meine Zeit steht in deinen Händen“ und „Von guten Mächten treu und still umgeben“ oft gesungen und dann über Margot Käßmanns Hinweise das Lied „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand“ kennen gelernt.
Wenn ich heute diese Lieder singe, gewinnen sie für mich an Intensität dadurch, dass ich mich daran erinnere, wie ich damals dies Lied von Klepper gesungen habe.
Gemeinsam ist den Texten der Blick auf Zeit und Leben und der Gedanke, dass wir in Gottes Hand geborgen sind.Als Jugendlicher habe ich Lebenszeit wesentlich als Zukunft und damit als etwas Unsicheres gesehen, jetzt ist sie für mich zu einem großen Teil Vergangenheit und insofern ist dieser Teil endgültig für mich aus der Verantwortung, ihn gestalten zu müssen, entlassen.
Doch weiter ist es die Zukunft, für die es für mich wichtig ist, dass sie „in Gottes Hand“ ist.
Da alles, was der Mensch beginnt,
vor seinen Augen noch zerrinnt,
sei du selbst der Vollender.
Die Jahre, die du uns geschenkt,
wenn deine Güte uns nicht lenkt,
veralten wie Gewänder.
Wer ist hier, der vor dir besteht?
Der Mensch, sein Tag, sein Werk vergeht:
nur du allein wirst bleiben.
Nur Gottes Jahr währt für und für,
drum kehre jeden Tag zu dir,
weil wir im Winde treiben.
(Psalm 102,25-28 )
Der Mensch ahnt nichts von seiner Frist.
Du aber bleibest, der du bist,
in Jahren ohne Ende.
Wir fahren hin durch deinen Zorn,
und doch strömt deiner Gnade Born
in unsre leeren Hände.
(Psalm 90,9)
vor seinen Augen noch zerrinnt,
sei du selbst der Vollender.
Die Jahre, die du uns geschenkt,
wenn deine Güte uns nicht lenkt,
veralten wie Gewänder.
Wer ist hier, der vor dir besteht?
Der Mensch, sein Tag, sein Werk vergeht:
nur du allein wirst bleiben.
Nur Gottes Jahr währt für und für,
drum kehre jeden Tag zu dir,
weil wir im Winde treiben.
(Psalm 102,25-28 )
Der Mensch ahnt nichts von seiner Frist.
Du aber bleibest, der du bist,
in Jahren ohne Ende.
Wir fahren hin durch deinen Zorn,
und doch strömt deiner Gnade Born
in unsre leeren Hände.
(Psalm 90,9)
Und diese Gaben, Herr, allein
laß Wert und Maß der Tage sein,
die wir in Schuld verbringen.
Nach ihnen sei die Zeit gezählt;
was wir versäumt, was wir verfehlt,
darf nicht mehr vor dich dringen.
Worauf sich diese Gaben bezieht, wird man sich beim Singen nicht immer genau klar machen. Es sind die Gaben, die sich in unseren leeren Händen befinden, nämlich die Gaben, die wir aus Gottes Hand erhalten.
Nachdem ich die Schützmotette "Die mit Tränen säen" kennengelernt habe, erinnern mich diese Gaben immer wieder einmal an die Garben, die die, die mit Tränen gesät haben, mit Freuden bringen können. Es sind Gaben, die wir dankbar annehmen können, gerade da, wo wir mit Tränen gesät haben.
Der du allein der Ewge heißt
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unsrer Zeiten:
bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten.
Ergänzungen
Zur Vertonung von "Der du die Zeit..." durch Schwab
Heinrich Schütz: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben. (Psalm 126)
Johannes-Brahms-Chor Hannover
Pro Nobis Ensemble
Heinrich Schütz: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben. (Psalm 126)
Johannes-Brahms-Chor Hannover
Pro Nobis Ensemble
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